Blick in die Geschichte


Karmelitanische Spiritualität

Die Karmeliter brachten, hierin vergleichbar den Minoriten vor vier Jahrhunderten, wiederum eine Alternative in das kirchliche Leben Duisburgs. Denn auch diese Mönchsbewegung hatte mit Aussteigern begonnen:

Etwa zur gleichen Zeit, als Franz von Assisi das wohlhabende Haus seines Vaters verließ, um als Armer mit den Armen zu leben, – nur etwa eine Generation früher, als viele Menschen in Europa für mehrere Jahre ihre Heimat verließen, um den großen Pilgerweg nach Jerusalem oder nach Santiago di Compostella anzutreten, als große Heerscharen mit den Kreuzzügen in den Orient strömten, da suchten andere in den Wäldern und Höhlen Palästinas die Einsamkeit. Sie mögen mit den Kreuzzüglern in den Orient gekommen sein; aber ihr Ziel war nicht die Eroberung, sondern das Finden Gottes in der Stille.

Sie lebten jeder einzeln in seiner Grotte, sie trafen einander draußen im Wald oder auf dem Feld, aber sie kehrten immer wieder in die Einsamkeit ihrer Höhle zurück. Das Karmel-Gebirge wurde zu einem idealen Ort: Der Berg schenkte ihnen „Stille und Ruhe in seiner Einsamkeit, Schutz in seinen Grotten, Entzücken in seinen Weiden, gesunde Luft durch seine Höhe, lebendiges Wasser aus seiner Quelle“. So wurde der ganze Berg für sie zu einem „mystischen Raum“ (Kees Waaijman, Der mystische Raum des Karmels, Mainz 1997, 8). Sie begannen nicht mit einer Ordensregel, sie hatten (hierin anders als die Jünger des Franziskus) keinen genialen Anführer, dem sie gefolgt wären, sie folgten nur ihrer Sehnsucht nach der Nähe Gottes im Land der Bibel. Ihr Patron wurde ein Prophet, der fast zwei Jahrtausende vor ihnen gelebt hatte und den die Bibel mit dem Berg Karmel in Verbindung bringt: Elija. Sein Wort, „Gott lebt. Und ich stehe vor seinem Angesicht!“, wurde für sie zum Wahlspruch.

Weil die christlichen Kreuzzügler das Land der Bibel wieder an die muslimischen Araber abgeben mussten, konnten auch die Einsiedler nicht bleiben. Das war wohl nicht leicht zu verkraften: „Wie kann man Karmelit bleiben ohne den Karmelberg?“ Die Antwort, die sie fanden, hieß: „Ziehe an jedem Ort, wo du wohnst, fort aus dem Endlichen und gehe hinein in den unendlichen Raum, der Gott ist. Mache aus jedem Ort einen Karmel.“ So zogen sie zurück nach Europa, gründeten Klöster auf Zypern und Sizilien, kamen schließlich nach Köln und Würzburg und brachten dabei ihre geistliche Erfahrung mit, die sie im Karmel-Gebirge gemacht hatten. In Deutschland zählten sie, wie Franziskaner und Dominikaner, zu den Mendikanten.

Im 15. Jahrhundert konstituierte sich ein weiblicher Zweig des Ordens: die Karmelitinnen. Sie brachten profilierte Gestalten hervor wie die „große“ Teresa von Avila im 16. Jahrhundert, die „kleine“ Therese von Lisieux im 19. Jahrhundert und die gelehrte Jüdin Edith Stein, die im 20. Jahrhundert ermordet wurde.